2009
80 x 100 cm
Öl auf Hartfaser
Der Anführer der Likedeeler wurde in einem modernen Historienbild verewigt
Bei einem Ateliergespräch zwischen Künstler und Verfasser, die seit über zehn Jahren zusammenarbeiten, im Herbst 2008 in Stralsund suchten beide eine neue Herausforderung zur Thematik „Historiengemälde“ und fanden sie in der geschichtlich umstrittenen und bis heute nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern populären Persönlichkeit des Piratenkapitäns Claus Störtebeker. Buchholz, der in den letzten Jahren eine Reihe von beachtenswerten Historiengemälden, darunter den international bekannten „Wikinger-Zyklus“ schuf, setzte mit dem neuen Werk die Gedanken beider um, die Gefangennahme des bekanntesten Anführers der Likedeeler im August 1400 bei der Insel Helgoland bildkünstlerisch umzusetzen.
Was sagt der historische Hintergrund hinsichtlich der deutschen Briganten während der Hansezeit? Die geschichtlichen Nachrichten über Störtebeker selbst sind mager, und Historie und Sage verwoben sich im Laufe der Zeit so miteinander, dass heute Legende und Realität kaum zu trennen sind. Aber die Gefangennahme und die Hinrichtung des berühmt-berüchtigtsten aller deutschen Piraten, der um 1360 entweder auf Rügen oder in Wismar das Licht der Welt erblickt haben soll und sich später den Vitalienbrüdern unter Goedeke Michels anschloss, sind historisch verbürgt. Diese Ostseefreibeuter standen zunächst sogar im Dienste der Mecklenburger Herzöge, die seinerzeit auch den schwedischen Königsthron innehatten, und versorgten die von den Dänen blockierte schwedische Hauptstadt Stockholm mit Lebensmitteln (Viktualien). Als sich die politische Lage der kriegführenden Ostseemächte nach dem Friedensschluss von Falsterbo 1395 jedoch zu Ungunsten der Vitalienbrüder, auch Likedeeler („Gleichteiler“) genannt, änderte und auch ihre staatlich sanktionierten Kaperbriefe aufgehoben wurden, entstand eine grundlegend neue Situation. Die Vitalienbrüder bzw. Likedeeler verlegten sich nun auf Seeraub im großen Stil und galten alsbald allerorten als gesellschaftliche Außenseiter und Feinde, die sich auch um den päpstlichen Bann wenig scherten. Sie wurden die erbittertsten Gegner der reichen Hansestädte, deren Handelsschiffen sie auflauerten und ausraubten.
Dem Volksmund nach teilten die Likedeeler ihre Beute auch mit Armen und Unterdrückten. Die mecklenburgische und pommersche Sagenwelt weiß viel darüber zu berichten. Nach dem der letzte Stützpunkt der Freibeuter in der Ostsee, die schwedische Insel Gotland, damals dänischer Besitz, von der Flottenmacht des Deutschen Ordens 1398 eingenommen wurde, verzog sich der Überrest von etwa 400 Likedeelern unter Störtebeker und Michels nach kurzem Zwischenspiel im Herzogtum Pommern, wo einige Unterschlupf fanden, fluchtartig in die Nordsee. Dort gewannen die Piraten neue Verbündete in Gestalt der mächtigen Friesenhäuptlinge, so der tom Brokes, die wiederum mit den Hansestädten Hamburg und Bremen auf Kriegsfuß standen. In Verkennung der politischen Lage, betrieben die Likedeeler in der Nordsee ihr gefürchtetes „Handwerk“ munter weiter, indem sie bevorzugt den „Englandfahrern“ Hamburgs und Bremens nachstellten. Der gezielte Seeraub beeinträchtigte nicht nur die Wirtschaftskraft beider Städte, sondern der Deutschen Hanse insgesamt. Die Vernichtung der Seeräuber durch hansische Kriegsschiffe war nur eine Frage der Zeit. Die Vorbereitungen dazu liefen insbesondere in Hamburg auf Hochtouren. Eine Art „Nacht- und Nebel-Aktion“ sollte die Entscheidung bringen. Auf der friesischen Felseninsel Helgoland wähnten sich die Nordseepiraten bei ihren Störaktionen gegen den Hamburger Englandhandel sicher. Die Insel wurde somit die ideale Basis der Likedeeler für Seeraub in der Nordsee, zumal eine Quelle die Inselbewohner und ihre geduldeten „Gäste“ mit Frischwasser versorgte.
Nach dem 15. August 1400 erreichte die Hamburger Kriegsflotte unter dem Oberbefehl der Ratsherren Hermann Lange und Nikolaus Schoke die Gewässer von Helgoland, in die sich die Hauptmacht der Likedeeler unter Störtebeker zurückgezogen hatte. Die Hamburger stellten die Piratenschiffe zum Kampf und enterten Störtebekers Holk, den der Volksmund „Roter Teufel“ nannte. Die militärische Übermacht der Hamburger Hansen zwang Störtebeker in die Knie, 40 Piraten fielen im Gefecht, 71, darunter Störtebeker, wurden gefangen genommen. Diese Szenerie wählte Buchholz für seine künstlerische Aussage. Blickpunkt und Zentrum der Komposition zugleich sind die Figurenszene des Gemäldes. Der Künstler nutzte darüber hinaus die Lichtquelle des Mondes links am Firmament über der in dem Abendhimmel getauchten Insel Helgoland mit ihrem roten Sandstein. „Dieses Rot beherrscht das ganze Bild. Die Umsetzung der Farbskalala war es, die den Maler besonders herausforderte“ (Elke Gau 2009). Das historischen Umfeld des dramatischen Effektes verarbeitete der Kunstschaffende so: An einem späten Augustabend anno 1400 wird bei Helgoland schließlich Störtebekers Führungsschiff geentert und dessen Mannschaft überwältigt. Hamburger Bewaffnete beherrschen das Schiff. Das große Rahsegel ist eingeholt. Die im Kampf getöteten Seeräuber sind bereits über Bord geworfen und die Gefangenen auf andere hansische Schiffe verteilt. Nur Störtebeker ist übriggeblieben. Damit der Piratenkapitän nicht über Bord springen oder sich selbst richten kann, wird er gefesselt und am Mast angekettet. Der Tobende wird durch das Schwert eines Hamburger Büttels in Schach gehalten. Ein Schiffsgeistlicher spricht Gebete, bevor der Piratenholk „Roter Teufel“ als Prise mit dem gefangenen Störtebeker nach Hamburg geführt wird.
Im Kontext damit sei abschließend vermerkt, dass wenige Wochen nach der Gefangennahme und Inhaftierung Störtebeker und seine 71 Mitgefangenen das Schicksal ereilte. Um den 20. Oktober 1400 wurden sie durch den Hamburger Scharfrichter auf der Elbeinsel „Grasbrook“ hingerichtet und ihre Köpfe zur Abschreckung auf Pfählen aufgestellt. Merkwürdigerweise aber lebt Störtebekers Mythos, wohl wegen des angeblichen sozialen Aspekts, bis heute fort. Buchholz vollendete das beeindruckende Werk (Größe: 100 x 80 cm) im März 2009.
Dipl.-Hist. Lutz Mohr, Greifswald
|